Geschichte von Michael
Er war immer guter Laune und hatte immer etwas Positives zu sagen. Wenn ihn jemand fragte, wie's ihm ginge, antwortete er: "Wenn's mir besser gehen würde, wäre ich zwei Mal vorhanden." Er war der geborene Optimist. Hatte einer seiner Angestellten mal einen schlechten Tag, meinte Michael zu ihm, er solle die positive
"Ja, gut, aber das ist nicht so einfach", war mein Einwand. "Doch, es ist einfach", meinte Michael, "das Leben besteht aus lauter Auswahlmöglichkeiten. Du entscheidest, wie Du auf gewisse Situationen reagieren willst. Du kannst wählen, wie die Leute Deine Laune beeinflussen. Dein Motto ist: Du kannst darüber entscheiden, wie Du Dein Leben führen willst."
Ich dachte darüber nach, was Michael gesagt hatte.
Kurze Zeit später verließ ich Tower Industry, um mich selbstständig zu machen. Wir verloren uns aus den Augen, aber ich dachte oft an ihn, wenn ich mich für das Leben entschied, statt darauf zu reagieren.
Einige Jahre später erfuhr ich, dass Michael in einen schweren Unfall verwickelt war. Er stürzte etwa 18 m von einem Fernmeldeturm. Nach 18 Stunden im Operationssaal und Wochen intensiver Pflege wurde Michael mit
Metallstützen in seinem Rücken aus dem Krankenhaus entlassen. Als ich ihn fragte, wie es ihm ginge, erwiderte er: "Wenn es mir besser ginge, wäre ich zwei Mal vorhanden. Möchtest Du meine Operationsnarben sehen?" Ich verzichtete darauf, fragte ihn aber, was in ihm vorgegangen sei im Augenblick des Unfalls. "Nun das erste, was mir durch den Kopf ging war, ob es meiner Tochter, die bald darauf zur Welt kommen sollte, gut ginge. Als ich dann so am Boden lag, erinnerte ich mich, dass ich zwei Möglichkeiten hatte: Ich konnte wählen, ob ich leben oder sterben wollte."
"Hattest Du Angst? Hast Du das Bewusstsein verloren?" wollte ich wissen. Michael fuhr fort: "Die Sanitäter haben wirklich gute Arbeit geleistet. Sie hörten nicht auf, mir zu sagen, dass es mir gut ginge. Aber als sie mich in die Notaufnahme rollten, sah ich den Gesichtsausdruck der Ärzte und Schwestern, der sagte: 'Er ist ein toter Mann.' Und ich wusste, dass ich die Initiative ergreifen musste." "Was hast Du denn getan?" fragte ich ihn.
"Nun, als mich so ein Ungetüm von Aufnahmeschwester mit lauter Stimme befragte und wissen wollte, ob ich auf irgendetwas allergisch sei, bejahte ich. Die Ärzte und Schwestern hielten inne und warteten auf meine Antwort.
Michael überlebte dank der Fähigkeit seiner Ärzte, aber auch wegen seiner bewundernswerten Einstellung. Von ihm lernte ich, dass wir jeden Tag die Wahl haben, in vollen Zügen zu leben. Die Einstellung ist schließlich alles.
Aus dem Buch: Die Einladung
von Oriah Mountain Dreamer
Die Sehnsucht:
Es interessiert mich nicht, womit du dein Geld verdienst.
Ich will wissen, wonach du dich sehnst und ob du die Erfüllung deines Herzenswunsches zu träumen wagst.
Die Angst:
Es interessiert mich nicht, wie alt du bist.
Ich will wissen, ob du es riskierst, dich zum Narren zu machen,
auf deiner Suche nach Liebe, nach deinem Traum, nach dem Abenteuer des Lebens.
Das Leid:
Es interessiert mich nicht, welche Planeten ein Quadrat zu deinem Mond bilden.
Ich will wissen, ob du deinem Leid auf den Grund gegangen bist und ob dich die Ungerechtigkeiten des Lebens geöffent haben oder du dich klein machst und verschließt um dich vor neuen Verletzungen zu schützen.
Ich will wissen, ob du Schmerz - meinen oder deinen eigenen - ertragen kannst, ohne ihn zu verstecken, zu bemänteln oder zu lindern.
Die Freude:
Ich will wissen, ob du Freude - meine oder deine eigene - aushalten, dich hemmungslos dem Tanz hingeben und jede Faser deines Körpers von Ekstase erbeben lassen kannst, ohne an Vorsicht und Vernunft zu appellieren oder an die Begrenztheit des Menschen zu denken.
Der Verrat:
Es interessiert mich nicht, ob das, was du mir erzählst wahr ist.
Ich will wissen, ob du andere enttäuschen kannst, um dir selbst treu zu bleiben. Ob du den Vorwurf des Verrats ertragen kannst, um deine eigene Seele nicht zu verraten, ob du treulos sein kannst, um vertrauenswürdig zu bleiben.
Die Schönheit:
Ich will wissen, ob du die Schönheit des Alltäglichen erkennen kannst, selbst wenn sie nicht immer angenehm anzusehen ist, und ob ihre Allgegenwärtigkeit die Quelle ist, aus der du die Kraft zum Leben schöpfst.
Die Unzulänglichkeit:
Ich will wissen, ob du mit Unzulänglichkeit leben kannst - meiner oder deiner eigenen - und immer noch am Seeufer stehst und der silbrigen Scheibe des Vollmonds ein uneingeschränktes 'JA' zurufst.
Die Verpflichtung:
Es interessiert mich nicht, wo du wohnst oder wie reich du bist.
Ich will wissen, ob du nach einer kummervoll durchwachten Nacht, zermürbt und müde bis auf die Knochen aufstehen kannst, um das Notwendige zu tun, damit deine Kinder versorgt sind.
Das Feuer:
Es interessiert mich nicht, wen du kennst oder wie du hierher gekommen bist.
Ich will wissen, ob du inmitten des Feuers bei mir ausharren wirst, ohne zurückzuweichen.
Die Seelennahrung:
Es interessiert mich nicht, wo oder was oder mit wem du studiert hast.
Ich will wissen, was dich von innen heraus trägt, wenn alles andere wegbricht.
Die Heimkehr:
Ich will wissen, ob du mit dir selbst allein sein kannst und ob du den, der dir in solch einsamen Momenten deines Lebens Gesellschaft leistet, wirklich magst.